Archäomagnetik

Die Säkularvariation des Erdmagnetfeldes der letzten Jahrtausende

Die Säkularvariation des Erdmagnetfeldes wird in jungen Gesteinen und geheizten archäologischen Strukturen aufgezeichnet. Paläomagnetische Messungen an solchen Materialien erlauben die Säkularvariation mit einer Zeitauflösung im Bereich von Jahrzehnten für die Vergangenheit zu erfassen. Hiermit kann die Beschreibung des Erdmagnetfeldes mit Kugelfunktionsmodellen, die aus historischen Daten der vergangenen 400 Jahre gewonnen wurde, für die letzten Jahrtausende fortgesetzt werden.

Zeitreihen der Säkularvariation tragen einerseits zu einem besseren, geophysikalischen Verständnis des Erdmagnetfeldes bei; andererseits können sie für die Datierung von jungen Gesteinen und archäologischen Befunden genutzt werden.


Die Variation der archäomagnetischen Intensität seit 1500 v. Chr.
FWF Projekt P223295 (2011 – 2014)

Unentbehrlich für Modellierungen des Erdmagnetfeldes ist eine genügend dichte Datenbasis der Säkularvariation, nicht nur für die Richtung, sondern insbesondere auch für die Archäointensität. Während West-, Mittel- und Südeuropa für die letzten 2000 Jahre gut mit Archäorichtungen abgedeckt sind, ist der Anteil an Intensitäten eher gering und sie zeigen eine große Streuung. Genügend dicht und präzise sind bisher nur die Daten für die vergangenen 700 Jahre. Hauptziel des Projekts ist, an Fundstellen, für die Archäorichtungen bekannt sind, Messungen der Archäointensität durchzuführen. Hiermit soll der Datensatz an archäomagnetischen Gesamtvektoren Mitteleuropas für die letzten 3500 Jahre von 1 bis 2 Werten pro Jahrhundert auf etwa fünf Werte pro Jahrhundert vergrößert werden.

Dieses Ziel soll mit Hilfe einer neuen Paläointensitätsmethode erreicht werden, die zunächst getestet werden soll. Der angestrebte große Datensatz an archäomagnetischen Gesamtvektoren wird die Datenbasis für ein verbessertes Modell des Erdmagnetfeldes für die letzen 3500 Jahre liefern. 

In diesem Zeitintervall traten fünf archäomagnetische Jerks auf, die über schnelle Änderungen in der Bewegung des Richtungsvektors definiert sind. Zwischen 800 und 500 v. Chr. korreliert ein starker Anstieg der Archäointensität mit einem feuchteren und kälteren Klima in Mitteleuropa. Dies gilt auch für die erhöhten Archäointensitäten um 800 n. Chr. In beiden Zeitintervallen wird außerdem eine erhöhte 14C-Produktion beobachtet, die zu Plateaus in der 14C-Kalibrationskurve führt. Dies erhärtet Zusammenhänge zwischen dem Erdmagnetfeld und Prozessen in der Atmosphäre, die die Radionuklidproduktion oder Wolkenbildung steuern. Das Projekt wird eine wesentlich verbesserte Datenbasis für entsprechende globale Erdmagnetfeldmodelle liefern, um eventuelle Zusammenhänge zwischen Erdmagnetfeld, 14C-Produktion und Klima besser zu verstehen. 


Das archäomagnetische Gesamtvektorfeld in Mitteleuropa
FWF Projekt P19370-N19 (2006 – 2010)

Hauptziel des Projekts war, die Hypothese einer möglichen Beziehung zwischen dem Verhalten des Erdmagnetfeldes und Klimaänderungen zu prüfen. Die Behauptung ist, dass während der letzten 3000 Jahre die Kurve der Säkularvariation (Änderung der Richtung und Intensität des Feldes auf Zeitskalen von Jahrzehnten bis Jahrhunderten) relativ schnelle Wechsel der Bewegung (Zacken) der Feldrichtung aufweist. Gestützt auf Einzeldaten der Intensität aus Frankreich und Syrien scheinen vier der Zacken mit Maxima der Intensität des Erdmagnetfeldes zu korrelieren. Dieses Phänomen heißt ‘archaeomagnetischer Jerk’ und es wurde eine Beziehung mit Vorstößen der Alpengletscher vermutet. Mechanismen für mögliche Verbindungen von Erdmagnetfeld und Klima werden sehr kontrovers diskutiert.

Im Rahmen des Projekts kann durch die Untersuchung des gesamten Datensatzes der archäomagnetischen Richtungen gezeigt werden, dass fünf Zacken in den Säkularvariationskurven in ganz Europa in Zeitfenstern von jeweils einem Jahrhundert gleichzeitig auftreten. Es wurde dann ein Satz von archäomagnetischen Gesamtvektoren von archäologischen Fundstellen aus Österreich, Deutschland und Ostfrankreich gemessen. Dieser Datensatz überdeckt die vergangenen 3500 Jahre mit mindestens einem Intensitäts- und Richtungswert (gewonnen an demselben archäologischen Befund) pro Jahrhundert. Er beinhaltet auch Befunde in denen die Zacken in der Säkularvariation aufgezeichnet sind. Obwohl starke Änderungen der Archäointensität in den letzten 3500 Jahren auftreten, ist außer im 8. Jh. n. Chr. keine Korrelation zwischen hohen Intensitäten und den Zacken der Richtungskurven zu sehen. Im Gegenteil wurden sogar für die Zacke im 8. Jh. v. Chr. anormal niedrige Intensitäten gemessen. Es treten eigentlich nur zwei sehr ausgeprägte Intensitätsmaxima während des 5. Jh. v. Chr. und des 8. Jh. n. Chr. auf. Der starke Anstieg zwischen 800 bis 500 v. Chr. korreliert mit zunehmenden Niederschlägen und kälterem Klima in ganz Europa und dasselbe gilt für das Intensitätsmaximum, das bei etwa 800 n. Chr. liegt. In beiden Zeitintervallen wird außerdem ein Sinken der Produktionsrate des Radiokarbons verzeichnet, das zu langen Plateaus in der Radiokarbonkalibrationskurve führt. Folglich könnte die bestehende Beziehung zwischen Erdmagnetfeld und der Bildung von Radionukliden auch bei den Prozessen der Wolkenbildung in der hohen Atmosphäre eine Rolle spielen. Hier ist jedoch noch eine größere Datenbasis für verbesserte, globale Magnetfeldmodelle notwendig. 

Ein weiteres Resultat des Projekts ist eine Säkularvariationskurve, die den Zeitraum für archäomagnetische Datierungen in Mitteleuropa auf 3500 Jahre erweitert und ein neues Datierungswerkzeug für die Vorgeschichte zur Verfügung stellt, mit dem die Probleme der Radiokarbonplateaus für die späte Bronze- und vorrömische Eisenzeit überwunden werden können.


Establishing archaeomagnetic dating in Austria
FWF Projekt M787-N11 (2004 – 2006)

Hauptziel des Projekts war eine Datenbasis für eine archäomagnetische Säkularvariationskurve Österreichs der vergangenen 4000 Jahre aufzubauen und auch Intensitätswerte für dieses Zeitintervall zu gewinnen.

Mit der im Projekt erstellten archäomagnetischen Kalibrationskurve für Österreich können archäomagnetische Datierungen in den letzten 2300 Jahren vorgenommen werden. Dieses Verfahren zur Datierung von in situ Befunden, wie Öfen oder Feuerstellen steht nun für die Archäologie zur Verfügung.


AARCH: Archaeomagnetic Applications for the Rescue of Cultural Heritage (2003 - 2006)

Forschungsnetzwerk im Rahmen des EU-Mobilitätsprogrammes für junge Forscherinnen und Forscher

Partner:

  • Department of Archaeological Sciences, University of Bradford (GB)
  • Centre De Physique Du Globe De L'IRM, Dourbes (Belgien)
  • Geophysical Institute, Sofia, Bulgarian Academy of Sciences (Bulgarien)
  • Department of Earth Sciences, Geophysical Laboratory, University of Aarhus (Dänemark)
  • Laboratoire D'archeomagnetisme, Centre National De La Recherche Scientifique, Rennes (F)
  • Department of Geophysics, Aristotle University of Thessaloniki (Griechenland)
  • Facultad De Cc.Fisicas, Universidad Complutense De Madrid (Spanien)
  • Geomagnetism Laboratory, University of Liverpool (GB)
  • Department of Geological Sciences, University of Plymouth (GB)
  • Dipartimento di Scienze della Terra, Universitá degli Studi di Torino (I)
  • Dipartimento di Scienze della Terra, Universitá degli Studi di Napoli (I)

Link zur Projekts-Homepage (Institut Royal Météorologique, Dourbes, Be)


Publikationen

Schnepp, E., Lanos, P., Hervé, G., Scholger, R., Mauritsch, H., Rolf, C. (in prep.) New archaeomagnetic data from Austria and Germany 

Brüggler, M., Rehren, T., Schnepp, E., Hartkopf-Fröder, C. (in prep.) A Late-Roman Glass Workshop near Goch-Asperden, Rhineland/Germany – Features and Analyses. 

Rolf, C., Hambach, U., Novothny, A., Horváth, E. & Schnepp, E. (2013): Dating of a Last Glacial loess sequence by relative geomagnetic palaeointensity: A case study from the Middle Danube Basin (Sütto, Hungary).
Quaternary International (in press)

Schnepp, E., (2011): Archäo-, Paläo- und Umweltmagnetik. In: Hans-Rudolf Bork/Harald Meller/Renate Gerlach, Umweltarchäologie - Naturkatastrophen und Umweltwandel im archäologischen Befund. 3. Mitteldeutscher Archäologentag vom 07. bis 09. Oktober 2010 in Halle (Saale). Tagungen des Landesmuseum für Vorgeschichte Halle, 6, Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt , Halle (Saale), 57-69. 

Hervé, G., Schnepp, E., Chauvin, A., Lanos, P., Nowaczyk, N. (2011): Archeomagnetic results on three First Iron Age salt-kilns from Moyenvic (France).
Geophysical Journal International, 185, 144–156

Schnepp, E., Lanos, P., Chauvin, A. (2009): Geomagnetic paleointensity between 1300 and 1750 A.D. derived from a bread oven floor sequence in Lübeck, Germany.
Geochemistry Geophysics Geosystems, 10, p. Q08003 (open access)

Aidona, E., Scholger, R., Mauritsch, H.J., Perraki, M. (2008): Remanence aquisition in a Roman-style gold furnace. 
Phys. Chem. Earth, 33, 438-448

Hambach, U., Rolf, C., Schnepp, E. (2008): Magnetic Dating of Quaternary Sediments, volcanites and archaeological Materials: an overview. 
Eiszeitalter und Gegenwart (Quaternary Science Journal), 57, 25-51
 

Singer, B.S., Hoffman, K.A., Schnepp, E., Guillou H. (2008): Multiple Brunhes Chron Excursions Recorded in the West Eifel (Germany) Volcanics: Support for Long-Held Mantle Control Over the Non-Axial Dipole Field.
Phys. Earth Planet. Int., 169, 28-40.

Trapanese A., Batt C. M., Schnepp E. (2008): Sampling and orientation methods in archaeomagnetic dating: a comparison using case studies from Wörterberg, Eisenerz  and Gams Valley (Austria).
Phys. Chem. Earth, 33, 414-426 

Schnepp, E., Worm, K. and Scholger, R. (2008): Improved sampling techniques for baked clay and soft sediments.
Phys. Chem. Earth, 33, 407-413
 

Schnepp, E. (2007): Archäomagnetische Datierung in Deutschland und Österreich.
Archäologisches Korrespondenzblatt, 37, 2, 313-320 

Schnepp, E., Lanos, P. (2006): A preliminary secular variation reference curve for archaeomagnetic dating in Austria.
Geophys. J. Int., 166, 91–96 

Aidona, E., Scholger, R., Mauritsch, H. J., Schnepp E., Klemm, S. (2006): Spatial distribution of archaeomagnetic vectors within archaeological samples from Eisenerz (Austria).
Geophys. J. Int. 166, 46–58 

Schnepp, E., Lanos, P. (2005): Archaeomagnetic secular variation in Germany during the past 2500 years.
Geophys.  J. Int, 163, 479–490 

Lanos, P., Le Goff, M., Kovacheva, M., Schnepp, E. (2005): Hierarchical modelling of archaeomagnetic data and curve estimation by moving average technique.
Geophys.  J. Int., 160, 440-476 

Korte, M., Genevey, A., Constable, C., Frank, U., Schnepp E. (2005): Continuous geomagnetic field models for the past 7 millennia I: A new global data compilation.
Geochem. Geophys. Geosyst., 6(2): 1-32, Q02H15 

Schnepp, E., Pucher, R., Reinders, J., Hambach, U., Soffel, H.C. und Hedley, I. (2004): A German catalogue of archaeomagnetic data.
Geophys.  J. Int., 157, 64-78 

Schnepp, E., Pucher R., Goedicke, C., Manzano, A., Müller, U., Lanos, P. (2003): Paleomagnetic directions and TL dating from a bread oven-floor sequence in Lübeck (Germany): A record of 450 years of geomagnetic secular variation.
J. Geophys.  Res., 108, B2, 2078